Heute (23.06.2020) sollte der Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz vorgestellt werden, doch das Innenministerium sagte den Termin kurzfristig ab. Nach Informationen des Spiegel soll das „rechtsextremistische Personenpotenzial“ stark gestiegen sein, von 24.100 (2018) auf 32.080 (2019) Personen gestiegen sein. Offenbar sind unsere Erfahrungen in Essen keine Einzelfälle.
Interessant ist auch der Blick in den Bericht des Verfassungsschutzes des Landes NRW, denn dieser ist bereits öffentlich. Darin wird auch wieder ausführlich über die „Steeler Jungs“ im Kapitel „Rechtsextremistisch geprägte Mischszene“ (S. 68 – 70) berichtet:
Seit April 2018 führt die Gruppierung First Class Crew – Steeler Jungs (FCC) regelmäßig an Donnerstagen sogenannte „Stadtspaziergänge“ im Essener Stadtteil Steele durch. Dabei tragen die Mitglieder meist schwarze Kleidung mit dem Schriftzug „FCC Steeler Jungs“ in Frakturschrift. Die Teilnehmerzahl bei den „Spaziergängern“ variiert meist zwischen 50 bis zu 100 Personen. Dabei beteiligten sich auch einige Frauen und Kinder aus dem mutmaßlichen familiären Umfeld der Mitglieder. Die als „Versammlungen“ bewerteten „Spaziergänge“ der FCC werden regelmäßig durch Polizeikräfte begleitet. Der Koordinator der „Spaziergänge“ kommt, wie die Mehrheit der Teil- nehmer, aus dem Hooligan- und Rockermilieu. Einzelne Mitglieder weisen rechtsextremistische Bezüge auf, einige Mitglieder haben eine Migrationsbiografie. Neben den Steeler Jungs haben sich in anderen Essener Ortsteilen mit den Huttroper Jungs und den Borbecker Jungs ähnliche Zusammenschlüsse beziehungsweise Untergruppierungen gebildet. Diese haben auf sich aufmerksam gemacht, indem sie durch einheitliche Bekleidung, die an die der Steeler Jungs angeglichen wurde, auffielen.
Es bestehen Bezüge zum Rechtsextremismus: In der Gaststätte, die der Treffpunkt der Gruppierung ist, trat 2019 die rechtsextremistische Band Kategorie C auf, die ein Bindeglied zwischen rechtsextremistischer und Hooliganszene darstellt. (…)
NRW Innenminister Reul schreibt im Vorwort: „Das Jahr 2019 hat auf schmerzliche Weise gezeigt, wie Propaganda, Falschinformationen und obskure Weltsichten der Radikalisierung Vorschub leisten. Sie sind der Nährboden für rechtsterroristische Strukturen. Noch mehr allerdings für Einzeltäter, die in den vergangenen Jahren immer wieder furchtbare Bluttaten begingen: Der Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke, der Anschlag auf die Synagoge in Halle, nicht zuletzt der neunfache Mordanschlag auf Menschen mit Migrationshintergrund in Hanau. Die nun vorliegende Analyse des Verfassungsschutzes zum politischen Extremismus 2019 in Nordrhein-Westfalen zeigt deutlich, dass es Rechtsextremen vor allem darum geht, zu radikalisieren und zu entgrenzen. Der politische Diskurs soll nach „Rechts“ verschoben werden, rechtsextremistische Ansichten sollen „salonfähig“ für die Mitte der Gesellschaft werden. Es entstehen Mischszenen, in denen Rechtsextremisten mit Rockern und Hooligans gemeinsame Sache machen. (…)
Den kompletten Verfassungsschutzbericht NRW 2019 gibt es hier:
https://www.im.nrw/system/files/media/document/file/VS_Bericht_NRW_2019.pdf
Foto: WDR Radio Cosmo